Lagerfeuerküchenblog von Jobst-Hartmut Lüddecke
Immer wieder stellt sich die Frage, was soll bei einer Mittelalterveranstaltung, oder einem Wikingerlager auf den Tisch kommen. Es wird am Lagerfeuer gekocht und viele Kochzutaten, wie Kartoffel, Tomaten, Paprika, Mais, Kürbis, viele Bohnensorten usw. scheiden aus, da sie aus der Neuen Welt stammen und erst nach Kolumbus (1492) nachweislich auf den europäischen Markt gekommen sind.
Da ich auch seit vielen Jahren einen Saisoncampinplatz in Sehlendorf an der Ostsee habe, wird auch dort gerne in der Feuerschale gegrillt und gekocht. Dabei aber ausschliesslich mit Holzkohle und Holzkohlebrikettes, da die Campingplatzordnung kein Lagerfeuer zulässt. Dabei gibt es auch einige nicht ganz so eng gesehene Generalproben, aber auch z.B.Baked Beans aus dem Dutch-Oven.
Bei einigen Zutaten habe ich heftige Diskussionen mit Archäobotanikern hinter mir. So war z.B. die Zwiebel schon ein heftiges Streitthema, da für bestimmte Regionen in Norddeutschland keine Pollenfunde nachgewiesen werden konnten. Da es aber verschiedene Funde dieser Pollen in niedersächsischen Mooren aus der Jungsteinzeit und dem Anfang der Bronzezeit gibt, sowie in den Bevorratungsvorschriften der Pfalzen von Karl dem Großen ausdrücklich 5 verschiedene Zwiebel- und Knoblauchsorten vorhanden sind, halte ich für meine Küche Zwiebeln, Scharlotten, Lauch und Knoblauch für zulässig und verwende sie auch reichlich.
Weiterhin scheiden viele Bohnensorten aus, da sie aus der Neuen Welt stammen. Dicke- und Ackerbohnen, sowie Erbsen und Linsen halte ich für zulässig, da sie nachweislich schon länger in Nordeuropa wachsen. Allerdings können braune Ackerbohnen und weisse Butterbohnen gern mal mit dem Gusseisen des Dutch-oven reagieren und unappetitlich schwarz werden.
Bei Möhren scheiden sich die Geister. Die jetzt normale orange-farbene Möhre stammt aus dem 16. Jahrhundert aus Holland. Vorläufer war die gelbe Möhre und die halbwilde weisse Möhre. Beide bekommt man wieder als Rückzüchtungen an biologisch orientierten Marktständen. Die gelbe Möhre ist etwas weniger süß, als die orangene Möhre, was nicht unbedingt schlechter ist. Die weisse Möhre hat deutlich weniger Geschmack. Will man also Möhren in einem Eintopf verwenden geht dies. Bekomme ich keine alten Sorten, greife ich auch schon mal -- ohne schlechtes Gewissen -- auf die orangene Möhre zurück.
Sellerie, als wichtiger Bestandteil eines Suppengrüns und damit für fast jeden Eintopf ist auch so ein Diskussionsthema. Knollensellerie (Apium graveolens var rapaceum) und Bleichsellerie (Apium graveolens var dulce) wurden erst im 16. Jahrhundert gezüchtet und scheiden damit für die mittelalterliche Küche aus. Übrig bleiben Stangensellerie und Blattsellerie (Apium graveolens var secalinum). Diese Sorte ist von den Römern in Germanien eingeführt und angebaut, sowie intensiv genutzt worden. Eigentlich wurde Blattsellerie in der römischen Küche überall da genutzt, wo heute Petersillie genutzt wird und ausserdem als Suppeneinlage. Ein römisches Rezept über Fleischbällchen mit Blattsellerie findet man auch in Karfunkel 134. Nach meiner Erfahrung kann man mit Stangensellerie und Blattsellerie eine ausreichende Sellerienote in jeden Eintopf bringen.
Auch Gewürze können zum Streitthema werden:
- Salz war knapp und als das zu der Zeit fast einzige Konservierungsmittel (man kann auch in Schmalz konservieren, vom Rilette bis zu Pemican) stark nachgefragt. Bezeichnend ist der sehr kleine Salzlöffel aus Wikingerfunden. Es wurde also knapp gesalzen und die Hanse ist mit Salzexporten reich geworden.
- Wacholderbeeren sind kein Problem, in der Region gibt es ausreichend Wacholderbüsche, dass Wacholderbeeren das einzige Gewürz ist, dass in nennenswerter Menge exportiert wird.
- Lorbeerblätter stammen aus dem Mittelmeerraum und wurden in Germanien durch die Römer eingeführt und von Wikingern aus Sizilien und Miklagard (Byzanz) durchaus mitgebracht, aber nicht unbedingt billig verkauft.
- Pfeffer, Muskat, Zimt, Nelken stammen aus dem Fernhandel, waren so extrem teuer, dass sie im ganzen Mittelalter zum Statussymbol wurden und in der normalen Küche eher keine Verwendung fanden. Zu Pfeffer gibt es fast vergessene Alternativen, wie z.B. den Langen Pfeffer
- Senf ist kein Problem. Die Senfsaat wächst hier sehr gut und verschiedene Zubereitungsarten bieten sich an.
- An Kräutern kann man eigentlich alles nehmen, was hier wächst. Früher noch mehr und so sind viele Alte Kräuter in Vergessenheit geraten und es ist eine spannende Angelegenheit entsprechend Kräuterbücher durchzuforsten. Ganz überraschend waren z.B. im Frühjahr Knödel mit frischem Waldmeister.
Rezepte sind immer Anregungen, da ich den genauen Geschmack nicht kenne und daher mit meinen Erfahrungen und Geschmacksvorstellungen versuche der Sache nahe zu kommen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass ich nach meinem Geschmack abschmecke und nicht genau das Vorbild treffe.
Für die Zubereitungsmethoden kommen entweder der Grill, die Pfanne mit Pfannenknecht, der Kessel am Dreibein an der Kochsäge/Kette, oder der Grapen direkt in der Glut in Frage. Der Grapen ist ein Topf mit 3 Beinchen aus Stein (Speckstein), Ton oder gegossenem Metall. Sehr dicht ran kommt der Dutch Oven aus Gusseisen. Davon gibt es 3 brauchbare Modelle von Lodge (USA), Petromax (Deutschland) und Potjie (Südafrika), die ich alle besitze und einsetze.
Kochbücher jeglicher Art -- besonders wenn die Rezepte gut fotografiert sind -- halte ich für lukullische Pornos und besitze davon so einige Regalmeter. Gern lasse ich mich dabei auch von regionalen Kochbüchern inspirieren. Für die Wikingerküche kann man viel mehr Anregungen aus Kochbüchern aus Island, den Faröer Inseln, Orkney Inseln, Schottland, Skandinavien, aber auch Polen, den Baltischen Staaten und Rusland ziehen, als aus speziellen Wikingerkochbüchern, die nur die Phantasie der Autorinnen wiederspiegeln.