Foto-Grundlagen: Bildbeurteilung vor dem Foto

Am besten beurteilt man das zu machende Foto, bevor man auslöst. Nur dies ist nicht immer ganz so einfach. Es gibt unterschiedliche Situationen und Werkzeuge mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen.

Fachcamera

Bei dieser Camera kann man das zu machende Bild in Orginalgröße in aller Ruhe auf einer Mattscheide beurteilen. Die Camera steht auf einem Stativ und der Fotograf ist mit einem dunklen Tuch gegen Fremdlicht abgeschirmt und es gibt spezielle Lupen mit Vergrößerungen von 6-fach bis 12-fach, mit deren Hilfe man Details noch genauer beurteilen kann. Allerdings steht das Bild auf dem Kopf und ist damit auch seitenverkehrt. Was dabei herauskommen kann, kann man sich an den Meisterwerken von Ansel Adams ansehen. Etwas für Studioaufnahmen, Landschaftsaufnahmen, Stillleben, still stehende Menschengruppen.

Vorteile: Man kann mit dem Balgen shiften und tilten, also den optischen Mittelpunkt des Objektivs verschieben und nach Scheimflug stürzende Linien entzerren.

Nachteile: Riesige Camera mit einem ausreichend stabilem Stativ, also maximales Gepäck. Mit dieser Camera sich bewegende Objekte zu fotografieren ist fast unmöglich. Die Auswahl an Vergrößerern wird richtig eng, dann bleiben nur noch Kontaktabzüge.

Mittelformat Spiegelreflexcamera

Die nächst kleinere Alternative. Immer noch reichlich Gepäck, aber oft mit wechselbarem Sucher.

Mit Lichtschacht

Bei einer alten zweiäugigen Rollei und deren Nachbauten wie die Seagull die einzige Option. Bei anderen Cameras wie der Pentacon six, der Kiev 88, oder der Hasselblad 500 kann man diesen gegen andere Suchertypen wechseln.

Nun zum Lichtschacht selbst. Man hat eine Mattscheibe in der Orginalgröße des Negatives und kann darauf den Bildaufbau recht genau beurteilen. Das Fremdlicht wird durch einen hochklappbaren Rahmen recht gut abgeschirmt. Bei den einäugigen Typen sieht man durch das orginale Aufnahmeobjektiv und kann Schärfe, Tiefenschärfe, Verzerrungen und Verkantungen recht genau beurteilen. Das Bild wird durch den Spiegel aufgerichtet, aber das Bild ist seitenverkehrt. Bewegliche Objekte sind schwer zu verfolgen, da man instinktiv in die falsche Richtung dreht. Als Übergang zum Lupensucher gibt es meist eine ausklappbare Lupe im Rahmen.

Mit Lupensucher

Im Prinzip ein Lichtschacht mit einem eingebauten Lupensystem. Die Mitte der Mattscheibe wird vergrößert dargestellt und man kann dort ganz genau scharf stellen. Allerdings liegt die Aufmerksamkeit auch im Mittelbereich der Mattscheibe und es fällt schwer das ganze Bild zu betrachten und zu beurteilen.

Mit Pentaprisma

Mit dem Pentaprisma wird das Sucherbild aufrecht und seitenrichtig dargestellt. Man sieht direkt das Bild, kann es aber nicht aus dem Abstand beurteilen, wie mit dem Lichtschacht. Der Überblick geht zugunsten des direkten Blickes etwas verloren, also man kann verkanten und kippen schlechter beurteilen, allenfalls mit Gitterlinien auf der Mattscheibe, kann dafür aber auch instinktiv beweglichen Objekten folgen. Ein weiteres Problem stellt sich Brillenträgern. Ist man zu weit vom Okular entfernt, sieht man nicht das ganze Bild. Ist man zu nahe dran, kann man seine Brille am Okular zerkratzen. Abhilfe kann eine Augenmuschel aus Gummi, oder eine Korrekturlinse im Okular schaffen.

Kleinbild-Spiegelreflexcamera

Hat man eine Praktica VLC2 oder VLC3, dann kann man den Sucher wechseln und es gibt einen Lichtschacht, einen Lupensucher und ein Pentaprisma. Damit gilt im Prinzip das Gleiche, wie für die Mittelformatcamera. Nur eine Mattscheibe von 60mm * 60mm kann man wesentlich besser beurteilen, als eine Briefmarke von 24mm * 36mm. Da gilt es deutlich Abstriche zu machen. Der überwiegende Teil der Kleinbild-SLR hat ein fest eingebautes Pentaprisma. Immerhin sieht man durch das Aufnahmeobjektiv und kann direkt Schärfe, Tiefenschärfe, Verzerrung und Bildausschnitt beurteilen. Allerdings sieht man auch nur diesen Bildausschnitt. Ohne Referenzen, wie Gitterlinien, oder wie bei neueren Modellen eine elektronische Wasserwaage, ist es auf dieser Briefmarke sehr schwer zu beurteilen, ob man gerade bei Weitwinkelobjektiven gekippt, oder verkantet hat und dadurch stürzende Linien fotografiert.

Kleinbild-Suchercameras mit Schnittbild-Entfernungsmesser (Rangefinder = RF)

Diese Cameras haben einen mit der Entfernungseinstellung des Objektivs gekoppelten Entfernungsmesser. Meist ist dies ein zweiter Sucher, der mit dem ersten Sucher gekoppelt ist und entweder werden zwei Sucherbilder durch die Entfernungseinstellung übereinander gelegt, oder ein Sucherbild und ein mittiges Teilbild. Dies funktioniert auch bei schlechten Lichtverhältnissen und falscher Brille sehr schnell und präzise. Bei RF-Cameras ohne Wechselobjektive, entspricht das Sichtfeld des Suchers der fest eingebauten Brennweite. Bei RF-Cameras mit Wechselobjektiven (Leica M, Voigtländer Bessa, Konica RF) wird durch eine Codierung am Objektiv der entsprechende Leuchtrahmen eingespiegelt, der dem Feld der Aufnahme auf dem Film entspricht. Damit kann man auch sehen, was genau neben dem Bildausschnitt passiert. Es gibt Cameramodelle mit unterschiedlichen Vergrößerungen der Sucher, je nachdem welche Objektive man bevorzugt, also eher Weitwinkel, rund um das Normalobjektiv, oder eher normal bis Teleobjektiv. Fällt das Objektiv aus diesem Rahmen, gibt es entsprechende Aufstecksucher für den Blitzschuh, die dann aber nicht gekoppelt sind. Hier muss man dann am eingebauten Sucher scharf stellen und mit dem Aufstecksucher den Bildausschnitt beurteilen. Es ist eigentlich unmöglich Verzerrungen, durch Kippen und Verkannten hervorgerufene stürzende Linien usw. zu beurteilen. Dafür gibt es z.B. von Voigtländer eine auf den Blitzschuh aufsteckbare Libelle (Punktwasserwaage) mit eigener Peiloptik. Weiterhin gibt es auch von Voigtländer eine Blitzschuhbrücke, die den Blitzschuh auf zwei Schuhe erweitert, um die Libelle und einen Aufstecksucher gleichzeitig an der Camera zu betreiben.

Vorteil: Schnelles und sicheres Foxussieren, auch bei schlechten Lichtverhältnissen und man sieht auch, was neben dem Bildausschnitt passiert.

Da Objektiv und Sucher nicht auf einer Ebene liegen, hat man ein Paralaxe, die gerade bei Nahaufnahmen daneben liegen kann. Man schaut durch eine eigene Optik und kann weder Tiefenschärfe, noch Verzerrungen beurteilen.

Kleinbild-Suchercameras mit Zoom und Autofoxus

Hier handelt es sich um zwei optische Systeme, die miteinander gekoppelt sind. Man sieht also im Sucher die gleiche Vergrößerung und den gleichen Bildausschnitt, den das Cameraobjektiv sieht. Man sieht allerdings nicht, worauf der Autofokus scharf gestellt hat. Kippen, Verkanten, Verzerrungen usw. kann man unmöglich beurteilen, da man an anderer Stelle durch eine andere Optikt schaut. Sofern der Autofokus schnell einstellt, hat man aber eine schnelle Action-Camera. Die Bildbeurteilung ist dabei eher zweitrangig.

Displays und elektronische Sucher an Digitalcameras

Im Prinzip hat man bei einem Display die Situation eines Lichtschachts an einer Mittelformatcamera. Oft ist dieser Bildschirm sogar größer, als der einer 6*6 Camera und entspricht schon fast einer 6*9-Camera. Damit hätte man im Prinzip sogar eine bessere Möglichkeit der Beurteilung der Bildkomposition, nur gibt es da leider Einschränkungen: Bei vielen Displays sieht man bei starker Sonneneinstrahlung -- vorzugsweise von hinten -- auf dem Display so gut wie gar nichts. Hier ist ein Sucher deutlich überlegen. Als Lösung habe ich bereits Rahmen im Handel gesehen, die man am Display befestigen kann, um eine Abschattung des Fremdlichtes, wie bei einem Lichtschacht einer Mittelformatcamera zu haben. Allerdings sind diese Rahmen dann ein mehrfaches so dick, wie die Camera selbst, die dann ihre Handlichkeit verliehrt. Dann ist die Auflösung der elektronischen Sucher und der Displays relativ niedrig und es ist ein sicheres fokussieren recht schwierig. Man kann bei der Grobkörnigkeit nur ungefähr scharf stellen, oder hoffen, dass der Autofokus es besser, bzw. beim gewünschten Objekt besser macht. In diesem Fall sind ausnahmsweise Handies überlegen, denn der winzige Sensor kommt mit einer extrem kurzen Brennweite aus, die eigentlich eine Tiefenschärfe hat, die von vorn bis hinten scharf ist. Allerdings will man die gar nicht immer, sondern möchte möglicherweise ein Objekt durch selektive Schärfe freistellen.